Kein Verbraucherbauvertrag bei Vertrag über einzelnes Gewerk eines Neubauvorhabens

Urteil vom 16. März 2023 – VII ZR 94/22

Am 16. März 2023 hat der hauptsächlich für Rechtsstreitigkeiten über Werkverträge zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshof erstmals über die Voraussetzungen eines Verbraucherbauvertrages im Sinne des mit Wirkung zum 1. Januar 2018 in Kraft getretenen § 650i BGB entschieden.

Die beklagten Eheleute ließen als private Bauherren einen Neubau errichten, wobei sie die erforderlichen Gewerke an verschiedene Bauunternehmer vergaben.

Die Klägerin erbrachte aufgrund eines Vertrages über die Ausführung von Innenputz- und Außenputzarbeiten auf Einheitspreisbasis ihre Leistungen. Auf Abschlagsrechnungen in Höhe von 29.574,80 € leisteten die Beklagten Zahlungen in Höhe von 20.337,61 €.

Daraufhin forderte die Klägerin die Beklagten unter Fristsetzung erfolglos zur Zahlung des offenen Betrags und anschließend zur Leistung eines Sicherheit hierfür im Sinne von § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB (Bauhandwerkersicherung) in Höhe von 9.880,05 € auf.

Das Landgericht[1] hat die Klage auf Sicherheitsleistung stattgegeben. Hiergegen haben sich die Beklagten mit der Berufung gewandt. Nachdem die Beklagten einen Betrag von 9.880,05 € an die Klägerin gezahlt hatten, hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagten haben der Erledigungserklärung widersprochen.

Das Oberlandesgericht[2] hat die nunmehr auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache gerichtete Klage abgewiesen.

Nach seiner Auffassung sei die ursprüngliche Klage auf Sicherheitsleistung unbegründet gewesen, denn dem Anspruch gem. § 650f Abs. 1 BGB habe der Ausnahmetatbestand des § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 Fall 1 BGB entgegengestanden. Bei dem vorliegenden Vertrag handle sich um einen Verbraucherbauvertrag nach § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB, wo die Beklagten als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB Besteller erscheinen.

In seiner Linie ging bezüglich der vorliegenden gewerkeweisen Vergabe das Oberlandesgericht von Bauleistungen aus.

Die darauffolgende Revision der Klägerin vor dem BGH hat Erfolg!

Der zuständige Zivilsenat hat das Berufungsurteil aufgehoben und festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat.

Die ursprüngliche Klage auf Sicherheitsleistung war begründet und hat sich erledigt. Der Ausnahmetatbestand des § 650f Abs. 6 Satz 1 Br. 2 Fall 1 BGB greift nicht ein. Zwischen den Parteien liegt kein Verbraucherbauvertrag im Sinne von § 650i BGB vor.

Zwar handelt es sich um einen Vertrag zwischen Verbraucher auf der Beklagtenseite und Unternehmer auf Klägerseite. Allerdings ist nach dem Wortlaut des § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB für das Vorliegen eines Verbraucherbauvertrages weiterhin erforderlich, dass es sich um den „Bau eines neuen Gebäudes“ handelt. Dafür reicht es nicht aus, dass der Unternehmer zur Erbringung eines einzelnen Gewerks im Rahmen eines Neubaus eines Gebäudes verpflichtet ist.

Darin unterscheidet sich die Vorschrift in entscheidender Weise von dem gleichzeitig in Kraft getretenen § 650a BGB. Dort wird ausdrücklich unter anderem ein Vertrag über die Herstellung eines Bauwerks „oder eines Teils davon“ erfasst. Eine weitere terminologische Abweichung des Gesetzes findet sich in § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB, wo von dem weiteren Begriff des Bauwerks die Rede ist, und somit können auch einzelne Gewerke darunter subsumiert werden. Bei der Terminologie in § 650i BGB handelt es sich aber um eine bewusste Abweichung des Gesetzgebers von den Definitionen in den vorgenannten Vorschriften. Der Ausnahmetatbestand des § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 BGB kann mangels Vorliegens einer planwidrigen Gesetzeslücke auch nicht entsprechend auf Verträge über einzelne Gewerke im Rahmen des Baus eines neuen Gebäudes angewandt werden.


[1] LG Landau in der Pfalz – Urteil vom 11. März 2021 – 2 O 315/19.

[2] OLG Zweibrücken – Urteil vom 29. März 2022 – 5 U 52/21 (BauR 2022, 1346).